FAQ

Warum gibt es so viel gefälschtes Olivenöl?

Olivenöl fälschen

Mit gefälschtem Öl kann man am meisten Geld verdienen, da die Gewinnspanne zwischen Herstellung und Verkaufspreis am höchsten ist. 

Hochwertige Olivenöle herzustellen, ist recht zeit- und kostenintensiv (Details hier), d.h. um dabei noch Geld zu verdienen, steigen die Preise pro Flasche auf über 10 € teils 20 €. Konkret: Damit ein Olivenbauer kein Verlustgeschäft macht, muss er einen Liter natives Olivenöl extra für ca. 16 € verkaufen. Dabei ist die Logistik und Vertrieb für Handelspartner noch nicht eingerechnet. Native Olivenöle extra, die im Supermarkt pro Flasche für 2.99 € zu haben sind, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit minderwertige raffinierte Mischöle. 

Der durchschnittliche Verbraucher ist jedoch nicht bereit, so viel Geld für eine Flasche Olivenöl auszugeben. Die Lösung: es werden Olivenöle billig aus überreifen und vom Boden gefallenen Oliven hergestellt, teilweise chemisch reingewaschen und im Supermarktregal in nett gestalteten Flaschen mit italienischen Etiketten als natives Olivenöl extra auf dem Markt angeboten.

Was genau passiert bei der Fälschung?

Dazu musst du vorab verstehen, dass die Europäische Union Olivenöle in 8 Qualitätskategorien einteilt:

1) Natives Olivenöl extra
2) Natives Olivenöl
3) Lampantöl
4) Raffiniertes Olivenöl
5) Olivenöl (bestehend aus raffinierten und nativen Olivenölen)
6) Rohes Oliventresteröl
7) Raffiniertes Oliventresteröl
8) Oliventresteröl

Bei der Fälschung raffinieren Hersteller Lampantöle (Kategorie 3), wobei diese minderwertigen Öle chemisch reingewaschen werden. Um diese geruchlosen raffinierten Öl (Kategorie 4) mit etwas Geschmack zu versehen, werden sie dann mit geringen Mengen an nativen Olivenölen (Kategorie 1 und 2) vermischt und fälschlicherweise wieder als native Olivenöle extra auf den Markt gebracht.

Stichproben und Schätzungen von Olivenöl Experten gehen davon aus, dass bis zu 95 % aller Olivenöle, die als „native Olivenöle extra“ bezeichnet und auf den europäischen Markt kommen, nicht den gesetzmäßigen Verordnungen folgen. 
So konnte bspw. die investigative Zusammenarbeit von Andreas März (Chefredakteur der Zeitschrift Merum) mit dem ZDF im Jahr 2004 aufzeigen, dass von 31 Stichproben aus dem deutschen Handel lediglich 1 Öl korrekterweise als „natives Olivenöl extra“ kategorisiert wurde. Einen weiteren Datenpunkt findet man in Italien. So konstatierte 2007 der italienische Landwirtschaftsminister, dass von 787 kontrollierten Ölproduzenten 205 der Panscherei überführt wurden.

Du willst es noch genauer wissen?

Na gut - also von den oben erwähnten 8 Kategorien, zählen die Kategorie 1-3 laut EU Verordnung zu den nativen Olivenölen: Natives Olivenöl extra, natives Olivenöl und Lampantöl.

Native Olivenöle (Kategorie 1-3) sind Öle, welche durch ausschließlich mechanische (oder anderweitig physikalische) Verfahren hergestellt werden und abgesehen von Waschen, Dekantieren, Zentrifugieren und Filtrieren keine zusätzlichen Behandlungen erfahren.

Die ersten beiden Kategorien werden ausschließlich durch Pressung oder Zentrifugation und ohne übermäßige Temperatureinwirkung (max. 27 °C) hergestellt.

Lampantöl (Kategorie 3) ist zwar ein natives Olivenöl, darf aber nicht an den Verbraucher abgegeben werden, da u.a. der Gehalt an freien Fettsäuren überschritten wird. Es muss daher raffiniert, also einem Raffinationsprozess mit höheren Temperaturen unterzogen werden, woraus raffiniertes Olivenöl (Kategorie 4) entsteht.

Kategorie 5 (Olivenöl) besteht dann aus einer Mischung aus raffinierten Olivenölen (Kategorie 4) und nativen Olivenölen (der Kategorie 1 und 2). Durch die Beimischung bekommt das Olivenöl den typischen Olivenölgeschmack zurück, welcher bei den raffinierten Olivenölen (Kategorie 4) verlorengeht. Das Endprodukt darf jedoch nicht als „natives Olivenöl extra“ klassifiziert werden, sondern nur als „Olivenöl“ (Kategorie 5). Es wurde raffiniert, erhitzt, mit Lösungsmitteln bearbeitet und mit nativen Ölen verschnitten.

Rohes Oliventresteröl (Kategorie 6) besteht aus Rückständen wie Kernen, Fruchtfleisch und Schalen, woraus mit Lösungsmittel das Öl extrahiert wird. Dies ist nicht zum Verzehr geeignet, sondern wird durch Raffinationprozesse zu raffiniertem Oliventresteröl (Kategorie 7) umgewandelt. Weil dieses Öl nicht mehr nach Olivenöl schmeckt, wird es auch mit nativen Olivenölen (der Kategorie 1 oder 2) zum Oliventresteröl (Kategorie 8) gemischt.

Die Kategorien 1-3 (native Olivenöle) unterscheiden sich u.a. anhand der folgenden Qualitäts- und Reinheitskriterien:

I) Säuregehalt
II) Peroxidzahl
III) Fettsäureethylester
IV) Wachsgehalt
V) sensorische Fehler
(I) Der Säuregehalt beziffert den Gehalt an freien Fettsäuren. Beschädigte Oliven (bspw. durch Schimmel, die Olivenfliege oder rabiate Erntemethoden) haben einen hohen Gehalt an freien Fettsäuren, die sich durch enzymatische Prozesse abspalten. Freie Fettsäuren beeinträchtigen den Geschmack negativ, können aber durch Raffination entfernt werden. Bei nativen Olivenölen extra (Kategorie 1) sollte der Gehalt an freien Fettsäuren laut EU Verordnung höchstens 0.8 % (0.8 g je 100 g) beziffern und bei nativen Olivenölen (Kategorie 2) 2 %.

(II) Die Peroxidzahl indiziert die Verdorbenheit von Fetten und entsteht durch Oxidation, einer Verfallsreaktion von Sauerstoff. Sie wird grundsätzlich von den Lagerbedingungen (Licht, Alter, Wärme, Sauerstoffkontakt) beeinflusst, aber auch durch schlechte Ernte- und Herstellungsverfahren. Die Folgeprodukte der Hydroperoxide führen zu einem ranzigen Geschmack.
Native Olivenöle dürfen laut aktueller EU Verordnung bis zu 20,0 meq aktiven Sauerstoff pro Kilogramm enthalten.

(III) Fettsäureethylester entstehen in der Olive durch die Veresterung von freien Fettsäuren mit kurzkettigen Alkohohlen (Ethanol). Vor allem schlechte Produktionsbedingungen während der Ölextraktion begünstigen die Produktion dieser Verbindungen. Je mehr sich die Olive zersetzt und gärt, desto mehr von den Fettsäureethylester werden gebildet. Der aktuelle Höchstwert laut EU-Verordnung für native Olivenöle extra liegt bei 35 mg/kg.

(IV) Wachse bilden eine Schutzschicht auf der Schale der Olive, die beim Pressen in das Olivenöl übergehen, vor allem bei chemischer Extraktion. Der Wachsgehalt indiziert damit, ob native Olivenöle mit Oliventresteröl gepanscht wurden. Der Wachsgehalt sollte bei nativen Olivenölen sowie nativen Olivenölen extra (Kategorie 1 und 2) 150 mg/kg nicht überschreiten.

(V) Sensorische Fehler spielen ebenso eine Rolle bei der Kategorisierung der Olivenölen wie chemische Zusammensetzungen. Die sensorische Prüfung wird von Panels mit 8-12 Prüfern durchgeführt, wobei 15 ml Olivenöl in dunkelblauen Prüfgläsern präsentiert und auf 28 °C erwärmt werden. Die Farbe des Olivenöls fließt nicht mit in die Bewertung ein und es werden die drei positiven Attribute fruchtig, scharf und bitter bewertet. Negative Merkmale wie bspw. stichig-schlammig, modrig-erdig-feucht, lakig oder ranzig werden als sensorische Fehler gewertet.

Für den Konsumenten zugelassen und im Einzelhandel erhältlich sind prinzipiell 4 Kategorien, und zwar:

Natives Olivenöl Extra (Kategorie 1)
Natives Olivenöl (Kategorie 2)
Olivenöl (Kategorie 5)
Oliventresteröl (Kategorie 8)
Die Kategorie 5 und 8 sind deshalb zugelassen, da sie raffiniert und dann mit Kategorie 1 und 2 vermischt werden, dürfen dann aber nicht mehr den Titel „natives Olivenöl“ tragen, sondern eben nur noch „Olivenöl“ oder „Oliventresteröl“. Ein bestimmtes Mischungsverhältnis ist nicht vorgeschrieben und so kann ein Olivenöl (Kategorie 5) aus 1 % nativem Olivenöl und 99 % raffiniertem Olivenöl bestehen.

In unseren Supermärkten finden sich laut Hersteller scheinbar hauptsächlich Olivenöle der Kategorie 1 und 2.

Warum kann man im Supermarkt dann also nicht getrost ins Olivenölregal greifen?

Das hat gleich mehrere Gründe:

Zum einen, weil der Säuregehalt-Richtwert für native Olivenöle extra in der EU Verordnung mit 0.8 % recht lasch angesetzt ist. Sehr gute Olivenöle haben wesentlich geringere Werte, welche teilweise sogar unter 0.2 % liegen. Somit werden Olivenöle in die oberste Kategorie gepackt, die Spitzenwerte wie 0.2 % aber auch die vierfache Menge (0.8 %) an freien Fettsäuren aufweisen.

Ähnlich verhält es sich mit der Peroxidzahl, wo die EU Verordnung einen Maximalwert von 20 (meq aktiven Sauerstoff pro Kilogramm) vorschreibt. Direkt nach der Ernte liegt dieser Wert jedoch bei 5, im weiteren Verlauf steigt er bei sehr guten Ölen auf maximal 10.

Ein weiteren kritischen Blick werfen wir auf die Fettsäureethylester. Hochwertige und frische Öle enthalten nach der Pressung maximal 15 mg, die EU Verordnung hingegeben setzt den Maximalwert bei 35 mg/kg a n.

Die zu groben Klassifizierungskriterien ermöglichen es somit nicht, wirkliche Spitzenöle von durschnittlichen Olivenölen abzugrenzen. Stell dir vor, an der Tankstelle wird nur noch Super Plus Benzin verkauft, weil alle Benzine bereits ab 95 Oktan als Premium Benzine gelten und eben nicht erst ab 98 Oktan, wie es heute Standard ist.

Zudem können bei der Raffination von Lampantölen die freien Fettsäuren und die Peroxidzahl verringert werden, d.h. minderwertige Öle physikalisch und chemisch reingewaschen. Über die Fettsäureethylester könnte man noch am ehesten vermischte und raffinierte Lampantöle identifizieren, da jedoch der Grenzwert – wie oben erwähnt – recht hoch angesetzt ist, ist auch dies nur sehr grob möglich.

Andere mögliche und chemische feststellbare Mindestwerte wie bspw. der Minimalgehalt an Antioxidantien werden in der EU Verordnung gar nicht erst abgedeckt. So fängt bspw. der Polyphenol-Gehalt für gute Olivenölen ab 500 mg/kg an, absolute hochwertige Öle liegen bei 1500 mg/kg. Raffinierte Öle besitzen kaum noch Polyphenole (ungefähr 50 mg/kg).

Ein weiterer Grund ist die fehlende Reproduzierbarkeit der Panel-Entscheidung. Es kommt häufig zu Abweichungen zwischen den Panels, allein auf Grund der Tatsache, dass Menschen mit verschiedenen Geschmacksvorlieben und Kompetenzen ausgestattet sind. Es gibt zu wenig vorgeschriebene chemische Verfahren, welche die Güte hinreichend und objektiv festmachen. Zusätzliche elektronische Verfahren (Massenspektronomie oder Gaschromatographie) haben es bisher auch noch nicht ins Screening geschafft, obwohl diese technisch bereits umsetzbar wären.

Der einleuchtendste Grund ist schlichtweg der Etikettenschwindel und Betrug. In Europa werden bei Weitem nicht alle native Olivenöle extra untersucht, die in den Handel kommen, sondern betrügerische Hersteller etikettieren ihre Öle nach eigenem Ermessen. Die EU Kontrollinstanzen müssen dann aktiv nachweisen, dass es sich eben nicht um das vom Hersteller entsprechend angepriesenes Produkt handelt.

Und falls doch getestet wird: die chemische Tests sind so lasch, dass sie mit raffinierten Ölen bestanden werden können und für das Bestehen sensorischen Prüfungen sorgen Beimischungen mit nativen Olivenölen extra. Das Endprodukt ist chemisch rein gewaschenes Gammelöl, das geschmacklich als auch gesundheitlich wesentlich weniger hochwertig ist und fälschlicherweise als „natives Olivenöl“ etikettiert ist. Alternativ prangern Händler und Hersteller die Ergebnisse der Kontrollen so lange an und bestehen auf 2. oder 3. Tests, bis wieder ganz andere Losnummern (Produkte aus einem anderen Produktionsdurchgang) im Regal stehen und die 1. Kontrolle veraltet ist.

Nicht überall wo also natives Olivenöl extra draufsteht, ist also auch wirklich hochwertiges natives Olivenöl extra drin.

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